José Eduardo erzählt seine Vitiligo-Geschichte

Betroffene berichten - Vitiligo

José Eduardo erkrankte früh an Vitiligo. Noch heute fällt es ihm nicht immer leicht, mit der chronischen Hauterkrankung selbstbewusst durchs Leben zu gehen. Lange Zeit stand die Erkrankung für ihn nicht im Fokus und als Kind musste er die Therapieentscheidung seinen Ärzt*innen und Eltern überlassen. Auch gut gemeinte Ratschläge seiner Angehörigen hatten oftmals viel zu großen Einfluss auf José Eduardo. Damit soll ab jetzt Schluss sein: „Ich will mich jetzt selbst um meine Vitiligo kümmern“, manifestiert der 37-Jährige. Was ihn dazu bewegt, erfährst du in seiner Geschichte.

12.06.2024

José Eduardo wuchs in Brasilien auf. Die ersten Vitiligo-Flecken wurden an seinen Fingern entdeckt und zeigten sich schon in früher Kindheit. Da er viel Gitarre spielte, vermuteten seine Eltern zunächst, dass die Hauterscheinungen das Ergebnis des stundenlangen Zupfens der Gitarrensaiten seien. Als sich jedoch ein weiterer Fleck am Mundwinkel bemerkbar machte, wurden sie skeptisch und veranlassten die Abklärung durch einen Dermatologen. Die Vitiligo war in der Familie bereits bekannt. Bei einer Großtante von José Eduardo war sie bereits festgestellt worden. Daher kam die Diagnose für alle nicht überraschend. Seinen Eltern war es sehr wichtig, dass er schnell eine Therapie bekam. Als Kind hatte er die Reichweite der chronischen Hauterkrankung noch nicht begriffen. Dadurch traten Eltern und Ärzt*innen in die Rolle der Entscheidungsträger*innen. Die Diagnose nahm er schlichtweg so hin. Der junge Mann erinnert sich heute, dass nach der Diagnosestellung viele Versuche unternommen wurden, um die Vitiligo in den Griff zu bekommen. Er probierte einige Cremes aus, unterzog sich einer Lichttherapie – die zwar effektiv, aber für ihn sehr unangenehm war. Im Rahmen der Lichttherapie musste er auch Tabletten nehmen, die ihm auf den Magen schlugen und die Therapie wurde in kleinen Kabinen durchgeführt, was Unwohlsein in ihm auslöste. José Eduardo probierte diese Behandlungen aus, weil er als Kind den Entscheidungen seines Hautarztes ausgeliefert war.

Wirklich selbst aktiv geworden und meine Therapie mitbestimmt habe ich zu dem Zeitpunkt nicht“, erinnert er sich.

Schließlich hatte er die Therapie beendet, weil für ihn der damit verbundene Stress größer war als der Nutzen der Therapie.

Ein ständiger Begleiter: die Angst vor der Sonne

Auch wenn keine weiteren Therapieversuche unternommen wurden, wusste José Eduardo um die Anfälligkeit seiner Haut und setzte sich deshalb nur selten der Sonne aus. Er hatte fast ein bisschen Angst vor der Sonne und war traurig über den Verlust seiner Unbeschwertheit.

Ich liebte den Strand und die Sonne. Als Kind habe ich es immer genossen, einfach nur da zu liegen und an nichts zu denken. Aber an nichts zu denken war nicht mehr möglich, seit ich mir bewusst wurde, dass ich Vitiligo habe. Zu groß war meine Sorge, dass durch die UV-Strahlung der Sonne meine Haut verletzt werden könnte“, berichtet José Eduardo.

Gerade in einem Land wie Brasilien, wo Strandbesuche und regelmäßiges Sonnenbaden zum Alltag seines sozialen Umfelds gehörten, fühlte sich José Eduardo durch die Vitiligo ausgegrenzt. Neben der Angst vor der Sonne sorgte er sich auch darüber, was Außenstehende über seine Flecken denken könnten. Es gab Menschen, die die Hauterscheinungen seiner Vitiligo für Verbrennungen hielten. José Eduardo hatte oft das Gefühl, dass einige unter ihnen sich sogar vor ihm ekelten. So musste er einmal bei einer professionellen Massage die Erfahrung machen, dass man ihn aufgrund der Vitiligo am Gesicht nicht berühren wollte. Zu groß war die Angst, sich anzustecken. Auch wenn er selten mit solchen Situationen konfrontiert, wurde: Die Furcht vor abfälligen Bemerkungen und Blicken war immer groß.

Auseinandersetzung mit der Vitiligo – wenn Hilfe nicht erwünscht ist

Im Alter von 20 Jahren zog José Eduardo nach Deutschland. Für den studierten Archäologen begann ein neuer und aufregender Lebensabschnitt. Doch der Ortswechsel brachte nicht nur viele neue Eindrücke mit sich. Er bedeutete auch Stress, der sich wiederum negativ auf seine Vitiligo auswirkte. Die Hauterscheinungen wurden stärker und breiteten sich vermehrt im Bereich des Gesichts aus.

Immer mal wieder dachte José Eduardo darüber nach, sich doch noch einmal mit der Behandlung seiner Vitiligo auseinanderzusetzen und eine Dermatologin bzw. einen Dermatologen aufzusuchen. Meist verwarf er jedoch dieses Vorhaben schnell wieder – ihm fehlte es an Kraft und Zeit. Außerdem beschäftigten ihn die Kostenübernahme für Behandlungen sowie sein mangelndes Vertrauen in Ärzt*innen. Zu oft fühlte er sich nicht gut aufgehoben und war enttäuscht von der Behandlung durch Personal oder Ärzt*innen in Praxen. Bei allgemeinmedizinischen Untersuchungen wurde José Eduardo im Laufe der Zeit mehrfach unabhängig vom eigentlichen Zweck des Arztbesuches auf seine Vitiligo angesprochen. Jedes Mal lehnte er die Frage nach einer Behandlung ab.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt aufgegeben. Ich wollte meine Vitiligo nicht behandeln lassen.

José Eduardo befindet sich in einer Selbstfürsorgephase und schöpft wieder Mut

Im Laufe der Zeit und vor allem nach seiner Promotion beginnt José Eduardo immer mehr für sich selbst und seine Gesundheit einzustehen. Er befindet sich in einer Lebensphase, in der er sich besser um sich und insbesondere um seine Haut kümmern möchte. José Eduardo will wieder mehr Zeit in der Sonne verbringen, denn das tut ihm gut. Aber seine Haut soll nicht darunter leiden, das ist ihm sehr wichtig. Er sorgt sich, dass seine Vitiligo-Haut durch die UV-Strahlung geschädigt wird. Deswegen informiert er sich, wie er beides vereinen kann, mehr Sonne und eine geschützte Haut. Während seiner Recherche trifft er auch auf die Selbsthilfegruppe in Freiburg. Er denkt

Das sieht cool aus, das schaue ich mir mal an“.

Es kostete José Eduardo etwas Überwindung, am ersten Treffen teilzunehmen. Mit anderen Vitiligo-Betroffenen hatte er bis dahin noch nie gesprochen. Und über seine Krankheit offen zu sprechen, das hatte er lange vermieden. Überrascht stellte er nach dem Treffen fest, dass es ihm sehr guttat, andere Betroffene kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen. Er fühlte sich verstanden und durch die Erfahrungen der anderen

Gruppenmitglieder ermutigt, weiter für sich selbst zu sorgen. Zu sehen wie andere mit der Erkrankung umgehen und leben gab ihm Kraft, sich selbst zu akzeptieren – er war zu dieser Zeit sehr zufrieden mit seiner Entscheidung, sich nicht weiter behandeln zu lassen.

 

„Bei einem Treffen hat eine Teilnehmerin erzählt, dass sie sich mit ihren Flecken schön fühlt. Ich war sehr berührt und habe ihr geantwortet, dass ich mir dieses Gefühl auch für mich wünsche.“

Eine besondere Begegnung in Brasilien

In dieser Selbstfürsorgephase reist José Eduardo nach Brasilien. Dort besucht er eine erfahrene Amtsärztin für eine Untersuchung im Rahmen des Führerscheins, die ihn auf die Vitiligo ansprach. Er erinnert sich an das Gespräch, das ihn zum Nachdenken anregte:

„Ich erzählte der Ärztin, dass ich in einer Selbsthilfegruppe hörte, dass es in Deutschland die Möglichkeit gäbe, die Lichttherapie zu Hause durchzuführen und diese Behandlung von der Krankenkasse übernommen wird. Das waren zwei sehr bedeutende Punkte für mich, da mir die Therapie ja früher half, die Ausbreitung der Vitiligo-Flecken zu stoppen, ich mich aber aufgrund der Belastung, die mit der Therapie einherging, entschloss, diese abzubrechen. Sie empfahl mir nochmal darüber nachzudenken, unter diesen erleichterten Umständen die Lichttherapie fortzusetzen und die Vitiligo-Ausbreitung zu stoppen. Denn die Medizin mache ja immer große Fortschritte und die Lichttherapie könne die Vitiligo erstmal unter Kontrolle halten, wodurch ich besser von einer Therapie mit zukünftigen medizinischen Entwicklungen profitieren könne. Keinesfalls wollte sie mich aber zu einer Therapie drängen oder überreden.“

Die Aussagen der Medizinerin ermutigten José Eduardo: „Angeregt durch die neue Perspektive war ich bereit, nach einer Behandlung mit Licht hier in Deutschland zu suchen.“ Gab es womöglich doch eine passende medizinische Behandlung für ihn?

Die Selbsthilfegruppe ist fester Bestandteil in Josés Leben geworden

Noch immer besucht José Eduardo regelmäßig die Selbsthilfegruppe. Er mag den regelmäßigen Austausch mit den anderen Betroffenen. José Eduardo ist nicht nur offener im Hinblick auf einen möglichen weiteren Therapieversuch geworden, sondern hat auch mehr Selbstvertrauen im Umgang mit seiner chronischen Hauterkrankung gewonnen. Zurzeit sucht er zuversichtlich nach einer Dermatologin oder einem Dermatologen, die bzw. der ihn bei seiner zukünftigen Behandlung professionell unterstützen kann. Doch der erste wichtige Schritt ist bereits getan – José Eduardo ist seiner Vitiligo neu begegnet. Anderen Betroffenen möchte José Eduardo die folgenden drei Ratschläge mit auf den Weg geben:

 

  1. Ruhe bewahren!
  2. Nimm deine Vitiligo-Therapie selbst in die Hand.
  3. Deine Flecken verändern vielleicht wie du aussiehst, aber sie verändern nicht, wie du bist!

In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Vitiligo. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!

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