Chronische Hauterkrankungen und psychische Gesundheit

Hauterkrankungen | Ratgeber

Chronische Hauterkrankungen wie Akne inversa und Vitiligo sind mehr als „nur“ ein körperliches Problem. Sie beeinflussen oft das tägliche Leben auf eine Weise, die weit über das Sichtbare hinausgeht. Die ständige Präsenz der Erkrankung, ihre sichtbaren Zeichen, die quälenden Symptome und auch die Stigmatisierung von außen können eine erhebliche psychische Belastung darstellen. Viele Betroffene kennen das Gefühl der Hilflosigkeit, den sozialen Rückzug und das schwindende Selbstwertgefühl nur zu gut. Doch es gibt Hoffnung und Wege, mit diesen Herausforderungen umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.

12.06.2024

Die Symptome chronischer Hauterkrankungen wie Entzündungen, Plaques oder Läsionen können für Betroffene nicht nur körperlich belastend sein, sondern auch das Selbstwertgefühl und damit die Psyche beeinflussen. Hierbei spielt oft eine Rolle, dass viele Betroffene aufgrund der Hautveränderungen im Verlauf ihrer Erkrankung nach wie vor Diskriminierung, Stigmatisierung oder sozialer Ausgrenzung ausgesetzt sind.

Diese Erlebnisse führen häufig dazu, dass sich Betroffene für ihr Erscheinungsbild schämen und Vorkehrungen in Bezug auf ihre Freizeitgestaltung, Sportaktivitäten oder die Kleiderwahl treffen. Auch das Schließen neuer Freundschaften oder die Partner*innensuche kann durch die Angst vor Ablehnung erschwert sein. Solche Vorkommnisse haben oftmals einen großen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden und können Ängste und Traurigkeit auslösen.

Hinweis der „Bitte berühren“-Redaktion

Neben der tatsächlich stattfindenden Stigmatisierung leiden einige Betroffene auch an einer körperdysmorphen Störung. Das heißt, sie haben eine verzerrte Körperwahrnehmung, sodass sie sich selbst anders sehen als Außenstehende. Dies kann dazu führen, dass sie eine Stigmatisierung fühlen, die in der Realität gar nicht stattfindet. Weitere Informationen zum Krankheitsbild findet du auf der Website der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V.

Ausgrenzung und Verurteilung aufgrund ihrer Haut – oftmals Alltag für viele Menschen mit chronischen Hauterkrankungen. Zusätzlich sehen sich Betroffene oft mit Missverständnissen oder Unwissenheit über ihre Hauterkrankung(en) konfrontiert, z. B. mit der Angst vor Ansteckung. Daraus können Schamgefühle, ein reduziertes Selbstwertgefühl, Depressionen, Angstzustände, paranoide Gedanken sowie zwanghafte und hypochondrische Störungen entstehen. Zwei Drittel der Betroffenen geben an, dass psychischer Stress einen Einfluss auf ihren Krankheitsverlauf hat – ein Teufelskreis.1

Depressionen und Angstzustände als Folgen der hohen psychosozialen Belastung

Neurodermitis, Akne, Schuppenflechte, Vitiligo, kreisrunder Haarausfall und Akne inversa zählen zu den häufigsten Hauterkrankungen, die mit einer erhöhten psychischen Belastung einhergehen.2 Die Verbreitung psychischer Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände liegt bei dermatologischen Erkrankungen zwischen 25 % und 43 %.3 Es gibt also bedeutsame Zusammenhänge. Dazu gehört auch eine erhöhte Selbstmordrate.2 So berichten beispielsweise über 7 % der Menschen mit schwerer Schuppenflechte und knapp 6 % der Betroffenen mit Akne inversa im Rahmen einer Studie über Selbstmordgedanken – eine höhere Rate als bei chronischen Erkrankungen, die nicht die Haut betreffen (2,4 bis 3,3 %).3

 

Was ist eine Depression?

Voraussetzung für die Diagnose einer Depression4 ist das Vorliegen von mindestens fünf Symptomen, darunter mindestens ein Hauptsymptom, über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen. Die beiden Hauptsymptome einer Depression sind zum einen eine depressive, gedrückte Stimmung und zum anderen der Interessen- oder Freudlosigkeit.

Zusätzliche Symptome können sein:

  • Antriebslosigkeit oder erhöhte Ermüdbarkeit
  • Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Schuldgefühle, Wertlosigkeit und vermindertes Selbstwertgefühl
  • Hoffnungslosigkeit bezüglich der Zukunft
  • Selbstmordgedanken und/oder -handlungen
  • Schlafstörungen
  • Appetitlosigkeit oder Appetitsteigerung
  • Psychomotorische Unruhe und Verlangsamung

Weiterführende Informationen zum Thema findest du bei der Deutschen Depressionsliga e.V.

 

Was ist eine Angststörung?

Angst zu verspüren ist in erster Linie eine hilfreiche Emotion, um Gefahrensituationen im Alltag zu erkennen und dementsprechend schnell zu reagieren. Treten Ängste auf, obwohl nur eine geringfügige oder keine Gefahr besteht, liegt eine Störung vor. Folgende Merkmale zeichnen eine Angststörung aus:

  • Hohe Intensität der verspürten Angst
  • Irrationalität, d. h. situative Unangemessenheit des eigenen Verhaltens
  • Beeinträchtigung bei der Bewältigung des Alltags5

Dabei gilt es zu beachten: Angststörung ist nicht gleich Angststörung! Im Allgemeinen wird unterschieden zwischen situationsgebundenen Ängsten (z.B. Interaktion mit unbekannten Menschen), Phobien (z.B. Angst vor Spinnen) und Ängsten, die nicht durch bestimmte Reize oder Situationen ausgelöst werden (z. B. zwanghaftes Händewaschen).

Mehr Informationen und Hilfe findest du in den Behandlungsleitlinien für Angststörungen sowie beim Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Bewusstsein für die eigene Situation schaffen

Für Betroffene chronischer Hauterkrankungen ist es wichtig zu beobachten, ob es sich bei dem auftretenden negativen Verhalten und den Gefühlen um eine vorübergehende psychische Belastung handelt oder eine ernstzunehmende psychische Erkrankung entstehen könnte. Sich an manchen Tagen traurig, unwohl, müde oder lustlos zu fühlen, ist ganz normal. Solche Gefühle können in den meisten Fällen aus eigener Kraft oder im Gespräch mit vertrauten Menschen überwunden werden. Bedenklich wird es jedoch, wenn solche Tiefphasen lange anhalten und sich in die Alltagsgestaltung einschleichen. Sensibilität für das eigene psychische Wohlbefinden und eine offene Kommunikation mit vertrauten Personen oder betreuenden Ärzt*innen kann dabei helfen, Aufschluss über die eigene Situation zu erlangen.

Auswege: Was du tun kannst

Das Erkennen der psychischen Belastung als solche und die Auseinandersetzung mit ihren Hintergründen und Erscheinungsformen ist in der Regel ein erster Schritt. Um im nächsten Schritt die psychischen Belastungen zu lindern, gibt es eine Vielzahl von individuellen Unterstützungsmöglichkeiten. Psychotherapeutische Ansätze wie Aufklärung, kognitive Verhaltenstherapie, motivierende Gespräche oder auch Meditation und Entspannungsübungen können sich laut Studien positiv auf die Lebensqualität, Depressionen und Ängste auswirken.6,7

Betroffene können sich aber auch professionellen Beistand suchen, z.B. von Hautärzt*innen, Psychodermatolog*innen oder -therapeut*innen. Ziel ist es, gemeinsam eine individuell passende Lösung zu finden. Zusammen ist es oft einfacher, die Hintergründe des psychischen Unwohlseins zu erforschen und bestenfalls zu lösen. Außerdem können Expert*innen für psychische Gesundheit am besten einschätzen, wie schwerwiegend die Probleme sind und welche Behandlungsschritte eingeleitet werden sollten. Neben der Suche nach einer passenden Expertin oder einem passenden Experten kann es auch sehr hilfreich sein, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Professionelle Beratung, Selbsthilfegruppen und ein unterstützendes soziales Umfeld können dabei helfen, die psychische Gesundheit zu erhalten und die Lebensqualität zu verbessern.

Kurz und knapp: Was du über die psychische Gesundheit bei chronischen Hauterkrankungen wissen solltest

  • Viel mehr als „nur“ Äußerlichkeiten: Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass eine chronische Hauterkrankung sich nicht nur äußerlich zeigt, sondern auch Auswirkungen auf die innere und psychische Gesundheit haben kann.
  • Chronische Hauterkrankungen und psychische Gesundheit hängen zusammen: Zahlreiche Studien belegen den wechselseitigen Einfluss von Symptomen chronischer Haut- und psychischer Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen.

  • Belastungen von außen: Die meisten Betroffenen von chronischen Hauterkrankungen sind nach wie vor Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt.

  • Psychische Erkrankungen: Depressionen und Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, die in Verbindung mit Hautkrankheiten aufkommen können.

  • Der erste Schritt ist oft der schwerste: Das Erkennen und die Auseinandersetzung einer psychischen Belastung sind für viele Betroffene oft am schwersten. Doch nur mit einer offenen Kommunikation kann der Teufelskreis aus Schüben und psychischer Belastung durchbrochen werden.

  • Expert*innen können helfen: Hautärzt*innen, Psychodermatolog*innen oder -therapeut*innen können im Umgang mit seelischen Belastungen helfen.

In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz deiner Hauterkrankung. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!

Quellen
  • 1 Krüger C et al Acta Dermato-Venereologica 2015; 95 (5):553–558.
  • 2 Kota S et al Indian Dermatol Online J 2019; März-Apr; 10(2):153–157.
  • 3 Hong J, Koo B, Koo J. The psychosocial and occupational impact of chronic skin disease. Dermatol Ther. 2008 Jan-Feb;21(1):54-9. doi: 10.1111/j.1529-8019.2008.00170.x. PMID: 18318886.
  • 4 Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2022; www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/was-ist-eine-depression/diagnose-der-depression [zuletzt abgerufen am 10.05.2024].
  • 5 Dorsch Lexikon der Psychologie 2022; https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/angststoerungen [zuletzt abgerufen 10.05.2024].
  • 6 Zill JM et al., (2018). Effects of psychosocial interventions on patient-reported outcomes in patients with Psoriasis: a systematic review and meta-analysis. Br J Dermatol. doi: 10.1111/bjd.17272.
  • 7 Chen Y, Xin T, & Cheng AS, (2014). Evaluating the effectiveness of psychological and/or educational interventions in Psoriasis: a narrative review. J Dermatol. 41:775-8. doi: 10.1111/1346-8138.12583.

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